„Gewissenskrieg“ - Anlässlich der 1000 Jahr Feier des Fleckens Drakenburg findet dort am 23. Mai 2025 die Uraufführung des gleichnamigen Theaterstückes statt, das ich eigens für dieses von Franzika Marra geleitete und initiierte Theaterprojekt geschrieben habe.
Idee und Hintergrund
Wie Titel und Untertitel andeuten, entfaltet sich vor dem Hintergrund der Religionskriege und der Schlacht vor Drakenburg im Jahr 1547 ein Drama um Liebe, Intrigen, Verrat und Opfer. Um die Frage nach Gewicht und Einfluss eines freien Gewissens.
Die Helden, die Liebenden Adrian und Karoline aus dem kleinen Flecken Drakenburg, er ein mittelloser, unehelicher Sohn, sie Tochter aus einflussreicher Adelsfamilie, träumen von Anerkennung für ihre Beziehung. Die gesellschaftliche Realität des 16. Jahrhunderts aber ächtet eine Liebe wie ihre. Zwingt sie in die Heimlichkeit.
Inmitten des Strudels aus Krieg und Politik drohen sie zu Marionetten von Ereignissen zu werden, die ihre Kräfte zu übersteigen scheinen. Ihre Liebe scheint chancenlos. Dann aber werden sie während eines Stelldicheins Zeugen einer gefährlichen Verschwörung und dem Aufmarsch feindlicher Heere.
Wie sollen sie sich gegenüber diesen Gefahren verhalten? Sind sie verantwortlich für sich und andere? Können ihre Handlungen Einfluss auf das Geschehen nehmen? Wie verknüpft sich ihr Schicksal mit dem der Anderen? Und haben sie die Freiheit zu handeln?
Welchen Weg wollen sie gehen? den des Fatalismus, der Passivität, den Kopf einziehen, still beten und stumm hoffen? Oder sind sie bereit, alles zu riskieren, als freie Menschen zu handeln? Der Religionskrieg, der ein sehr weltlicher Krieg ist, wird zu ihrem persönlichen Gewissenskrieg.
Rund um Machtspiel und Intrigen der Drakenburger Adligen die rücksichtslos versuchen, sich im bevorstehenden Entscheidungskampf zwischen dem katholischen Herzog Erich II. und dem Heer der Protestanten möglichst vorteilhaft zu platzieren, entfaltet sich nun ein Ringen um das eigene, ganz kleine, scheinbar so unbedeutende Gewissen, dass doch so große Auswirkungen haben kann:
Vor der heranbrandenden Flut feindlicher Heere müssen Adrian und Karoline eine dramatische Entscheidung treffen. Indem die Liebenden Stellung beziehen, alles wagen, scheint sich ihnen auch ein Weg für ihre Liebe aufzutun. Der aber ist schwierig, ja: lebensgefährlich. Und als das Gemetzel der Schlacht über den Ort hereinbricht, scheint mit einem mal alles fraglich. Ihr Einsatz, ihr Opfermut vergebens. Verbrennen sie gemeinsam mit dem Ort im Rachefeldzug des von Eitelkeit und Fanatismus angetriebenen Herzogs oder gibt es noch Hoffnung? Für ihre Liebe. Ihren Glauben. Ihre Freiheit. Die Zukunft der ganzen Gemeinde?
Ein Theaterstück, das versucht, mit den Fragen nach der Bedeutung und dem Wert von Freiheit, Zivilcourage und Gewissensentscheidungen in Zeiten der Krise den Bogen in unsere Zeit schlagen. Ein dramatisches Spiel um Integrität und Verrat, Liebe und Krieg, kleine und große Entscheidungen und die unabsehbar weitreichenden Folgen mutiger Taten.
Das 16. Jahrhundert: Zeit der Religionskriege. Was hat das mit uns zu tun?
„Ein Konflikt. Er beginnt als theologischer Disput, als Fetzen Papier, genagelt an eine Kirchentür. Ein Konflikt, der auf dem Schlachtfeld endet. Einen Kontinent in einen Abgrund aus Tod, Verfolgung, Vertreibung, Seuchen, Hungersnöten, Entvölkerung hinab reißt.
Das Jahr 1547: Spielplatz der Eitelkeiten. Der Machtspiele. Eines ehrgeizigen, jungen Herzogs. Seiner Suche nach Ruhm, seinem Stückchen Ewigkeit. Mit der Bereitschaft, jeden zu opfern, der ihm im Weg steht. Voller Sendungsbewusstsein, das an Fanatismus grenzt, gepaart mit jugendlichem Ungestüm und der unbegrenzten Macht eines Gewaltherrschers.
Dazwischen: Menschen – ihre Ängste. Hoffnungen. Leid und Freude. Liebe. Lügen. Hass. Und Mut. Ihre Suche nach dem gutem Leben. Und Überleben. Im Schatten der Geschichte. Im Ringen um ihren Fetzen Freiheit.
500 Jahre: wie viele Generationen? In menschlichem Maßstab: eine halbe Ewigkeit. Und doch sind uns diese Geschichten und Lebenswelten in vielem so nah. Menschen vor 500 Jahren: anders. Und doch: Wie wir!"
Ausgangspunkt der Religionskriege waren das Ringen zwischen Fürsten, Kaiser, Städten, Bürgern, dem Adel, den Konfessionen. Ein Ringen, das mit der Reformation beginnt und in das große Sterben des dreißigjährigen Krieges mündet.
Das Theaterstück Gewissenskieg bemüht sich um eine Suche nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen unserem Heute und dieser fernen Zeit, versucht den schmalen Grat zwischen Geschichte und Fiktion zu wandeln. So, dass eine ferne Vergangenheit greifbar wird, ohne ihre Fremdheit ganz zu verlieren. Zu fragen: was hätte passieren können? Was erscheint möglich? Was geschah wirklich? Wo entstehen in dieser Schnittmenge Geschichten, die den Zuschauer fesseln, nachvollziehbar, von Bedeutung sind?
Den historischen Rahmen liefert die bereits erwähnte Schlacht vor Drakenburg, wo am 23. Mai 1547, ein Jahr nach dem Tod des großen Reformators Luther, protestantische und katholische Heere aufeinander trafen. Eine Schlacht, die den Menschen damals als Großereignis erschien, als Rettung in letzter Sekunde vor der sicheren Gegenreformation. Die Forschung sagt heute anderes. Und doch: Ein blutiger Tag, ein großes Töten, ein Gemetzel, in dessen Vor- und Nachspiel ganze Landstriche und die Menschen, die darin wohnten, verstört und versehrt zurück blieben. Niemand kann bestimmt sagen, wie viele an diesem Tag ihr Leben ließen. Im Kampf. Auf der Flucht. Unter den Werkzeugen des Feldschers. Es mögen Tausende gewesen sein. Sicher aber ist: Ihr Sterben ist heute nahezu vergessen. So wie ihre Lebensumstände. Nicht einmal ihre Gräber sind erhalten. Aus diesem Nebel des Vergessens steigen die Charaktere des Stückes und geben der verlorenen Zeit noch einmal eine Stimme.
Das 16 Jahrhundert, das bedeutet auch: Renaissance, eine Zeit des Aufbruchs. Der Veränderung. Im Guten. Wie im Schlechten. Renaissance, wörtlich: Wiedergeburt. Und tatsächlich finden sich auch in unsere Zeit viele Motive wiedergeboren, die das 16. Jahrhundert erschütterten, aber auch groß machten. Eine Zeit, bevölkert von Menschen, die uns in ihren Sehnsüchten und Hoffnungen und Ängsten sehr viel näher sind, als wir vielleicht vermuten.
Das Stück versucht, Licht auf diese vergessenen Leben zu werfen, eine Zeit zu erhellen, die in ihrer apokalyptischen Naherwartung, am Rande des großen europäischen Albtraums, des 30jährigen Krieges, in so vielerlei Hinsicht heutige gesellschaftliche Stimmungen widerspiegelt.
Textausschnitt aus dem 1. Akt, II. Aufzug
Dargestellt wird die Szene eines lauten Streitgespräches zwischen Adelsparteien. Die Verschwörung der einflussreichen Opportunisten Cort und Diderich mit anderen Adelshäusern kündigt sich an. Sie werden von Karoline konfrontiert, die, trotz ihrer Gegenwehr, bald tiefer in die Machenschaften der Verschwörer verstrickt werden wird, als ihr lieb ist und sie ahnen kann.
Cort : So ist das: Wenn Drakenburg brennt, der Pastor und sein Schäfchen rennt.
Diderich: Unser Haus und Gut aber vermag nicht zu rennen.
Karoline: steht auf Verräter seid ihr! Ketzer!
Diderich: Was verstehst du von solchen Dingen, Weib?
Cort: Lieber ein Feigling und im Besitz von Leib, Gut und Leben. Wen schert's, wenn der Hahn auf dem Misthaufen kräht, während die Pferde im brennenden Stall wiehern?
Diderich: Genau!
Karoline: Es wird nur brennen, wenn ihr nichts tut. Meint ihr denn, der Pastor lässt Gemeinde, sein eigenes Haus, Kirche und Hof zurück? Und was kann Adrian schon für die Fehltritte seines Vaters?
Diderich: Er ist selbst der beste Zeuge dafür. Der Bastard! Du siehst das nicht. Bist blind, Weib! Ich aber sehe das Heer des Kaisers: Kanonen und Landsknechte sind bessere Argumente als Worte.
Karoline: Luther hat uns gelehrt, dass wir die Freiheit haben, zu handeln!
Cort: Dann handle doch du, Weib! Was kannst du schon, außer reden! Weißt du, was der Luther uns auch gelehrt hat? „Gottes Wort und Gnade ist ein Platzregen, heute da und morgen dort.“
Diderich: Lacht Ja, und scheinbar stehen wir bald im Regen. Und die Kaiserlichen in der Sonne.
Cort: Genau! Ich schütze lieber meinen Hof. Ehe er im kaiserlichen Platzregen versinkt.
Diderich: geht zu Cort, tritt an ihn heran. Vertraulich Wir müssen mit den Kaiserlichen sprechen. Mit Herzog Erich.
Cort: Wahr. Wenn ihn der Herrgott nicht davon abhält, den Flecken zu plündern, dann vielleicht unser Geldbeutel.
Diderich: Oder ein Gelübde tiefer Treue zum Kaiser.
Cort: Besser noch! Das kostet mich nur ein Wort!
Karoline: lauscht Tritt dann energisch hinzu Ihr Narren wollt den Frieden wahren, dabei ist der Krieg schon längst über euch! Feiglinge!
Diderich: Lieber feig als arm.
Cort: Oder tot. Überhaupt: Ich nenne es Klugheit.
Diderich: Komm, lass uns das mit Hinrich beraten. Es waren noch immer unsere Familien, die bestimmten, was im Flecken geschieht. Von Ramel, von Merettich, von Hove.
Cort: Was ist mit den Bothmers?
Diderich: Brun und sein Sohn Michel ziehen mit den Schmalkaldern. Michel tut nur, was sein Vater sagt. Er ist bedeutungslos. Brun aber hole ich nur ins Boot lacht, wenn die Kaiserlichen verlieren. Und sein Neffe, der Bastard Adrian, ist nichts außer ein kleines, unbedeutendes Lichtlein.
Cort: Ein kaiserliches Lüftchen und das Lichtlein flackert und verlöscht.
Diderich: Lüftchen? Mir ist eher, als zöge ein Sturm auf!
Cort: Dann auf, ehe er losbricht!
Gehen ab